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Redebeitrag von Polizeivizepräsident Andreas Sagehorn

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein frohes neues Jahr 2024 wünsche ich ihnen und ich kann Ihnen sagen, ich freue mich sehr darüber, heute hier ihr Gast zu sein. Wobei Sie sich sicher die Frage stellen: Was will ein Delmenhorster hier im Ammerland?

Aber zu meiner Ehrenrettung: Das Ammerland ist mir nicht fremd. Als Delmenhorster fahre ich mit meiner Familie gerne mal ins Ammerland, ans Zwischenahner Meer oder den Park der Gärten. Auch für Fahrradtouren eignet sich das Ammerland hervorragend, wobei ich mich immer gewundert, warum gefühlt an jeder Ecke eine Baumschule zu sehen ist. Jetzt habe ich erfahren, dass es tatsächlich 350 Baumschulen gibt und das 90% aller in Deutschland gezogenen Rhododendronbüsche aus dem Ammerland stammen. Das Ammerland hat also neben seinen vielen Naturschutzgebieten sowie dem traditionellen Boßeln viel für ein Delmenhorster Stadtkind zu bieten.

Ich fühle mich sehr geehrt und empfinde es als besondere Auszeichnung, hier als Gastredner beim diesjährigen Neujahrsempfang des LK Ammerlandes eingeladen worden zu sein. Das weiß ich sehr wohl zu schätzen, insbesondere, wenn ich mir vor Augen führe, welche Persönlichkeiten hier schon alles die Ehre hatten, einen Festvortrag zu halten. Sehr geehrte Frau Harms: Danke dafür, dass ihre Wahl für das Jahr 2024 auf mich gefallen ist.

Aber genug der Vorrede. Das heutige Thema haben Sie Ihrer Einladung entnommen:

Innere Sicherheit – Was bedeutet 110 für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Ammerland?

Ich möchte Sie in den nächsten Minuten auf eine kleine Reise mitnehmen. Eine Reise in und durch unsere Leitstelle der Polizei in Oldenburg. Da wo das Kerngeschäft der Polizei zu einem ganz hohen Prozentsatz seinen Ursprung nimmt. Da wo ihre Polizei für 1,7 Millionen Menschen und eben auch für die knapp 129 tausend Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Ammerland über 110 rund um die Uhr erreichbar ist; wo zwischen 500 und 1000 Notrufe täglich angenommen werden; wo Einsätze von bis zu 80 Funkstreifenwagen gleichzeitig koordiniert werden. Da wo über 100 überwiegend junge Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ihre Berufung gefunden haben und mit sehr viel Engagement, Motivation und vor allem Professionalität ihren Dienst versehen.

Sie werden dabei, bei aller Ernsthaftigkeit des Polizeiberufes, feststellen, dass die Kolleginnen und Kollegen bei ihrer Arbeit viel Anerkennung erfahren, das Gefühl vermittelt bekommen, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun, anderen Menschen in einer für sie besonderen Situation helfen zu können. Ja, bei ihrer Arbeit auch Freude zu empfinden und über Situationen sogar Lachen zu dürfen. Aber eben auch, dass sie das Erlebte sehr betroffen, traurig und nachdenklich macht und manchmal scheinbar hilflos zurücklässt.

Auf dieser Reise werden Sie eine junge Polizeibeamtin und einen jungen Polizeibeamten eine fiktive Woche lang begleiten, ihre Erlebnisse teilen und dabei große und klei-ne Geschichten, die das wahre Leben schreibt und über Notruf bei uns landen, miterleben.
Damit diese Reise auch aus ihrer reinen Anonymität gelangen kann, gebe ich den beiden Hauptrollen einfach einen Namen. Es handelt sich hierbei um die 28jährige Polizeibeamtin Lisa und den 23jähren Polizeibeamten Felix.

Allerdings werde ich an einigen Stellen bei diesen Geschichten kurz innehalten und dabei auf besondere Herausforderungen der Polizei - auch bezogen auf das Jahr 2024 - eingehen und hervorheben.

Starten wir mit unserer Woche mit Lisa und Felix in der Leitstelle der Polizei in Oldenburg mit dem ersten Notruf:

Sonntag Tagesdienst, 08:00 Uhr – Polizei, Helfer in allen Lebenslagen

Eine männliche Stimme meldet sich am Notruf und fragt mit deutlich verwaschener Aussprache, ob die Polizei denn so nett wäre, ihn kurz nach Hause zu fahren, da er leider den Bus verpasst habe und er nun nicht wisse, was er denn machen soll. Unsere notrufannehmende Lisa erklärt dem Anrufer freundlich aber bestimmend, dass dies nicht möglich sei. Die Polizei sei schließlich kein Taxiunternehmen und müsse sich für richtige Notfälle bereithalten. Er solle stattdessen lieber ein richtiges Taxi rufen. Der Anrufer gibt sich mit der Antwort so weit zufrieden, bedankt sich und beendet das Gespräch. Kurz darauf nimmt Lisa erneut einen Notruf an und der derselbe Anrufer bemerkt ohne weitere Erklärung: „Ich habe ein Taxi bestellt, wie Sie es mir gesagt haben; ich habe nur noch eine Frage: Könnten Sie mir 10€ für das Taxi leihen?“

Sonntag, 11:00 Uhr - Improvisation kann Leben retten

Felix nimmt einen Notruf entgegen, es meldet sich aber niemand und er kann nur ein schweres Atmen vernehmen. Felix versucht verzweifelt, etwas in Erfahrung zu bringen, bekommt aber einfach keine Antwort. Der Anrufer oder die Anruferin scheint aber irgendwie in Not zu sein. Es vergehen die ersten unendlichen 2 Minuten. Schließlich kommt Felix auf eine Idee und macht der unbekannten Person einen Vorschlag, Fragen bei einem „Ja“ einmal und bei einem „Nein“ zweimal zu atmen. Das scheint zu funktionieren und so tastet sich Felix sehr mühselig und sehr geduldig an den Notfall heran. In der Zwischenzeit wird der ungefähre Standort des benutzten Handys technisch eingegrenzt. Felix hat nach ca. 8 Minuten herausgefunden, dass die Person sich in einem Waldstück, nähe Bookholzberg befindet und offensichtlich Medikamente eingenommen hat, um einen Suizid zu begehen. Nach 14 Minuten vernimmt Felix ein Martinshorn und mit Hilfe von Lisa, die am Nachbartisch sitzt, kann schließlich die Funkstreifenbesatzung eine junge, offensichtlich autistische Frau aufnehmen und einer ärztlichen Versorgung zuführen. Es ist alles gut gegangen und Felix und Lisa sind geschafft, sehr erleichtert und freuen sich, dieser Frau, wenn auch auf ungewöhnlicher Weise, geholfen zu haben.

Sonntag, 15:00 Uhr - Nichts tun können, ist manchmal sehr schwierig

Lisa meldet sich mit „Polizeinotruf“; ein offensichtlich junges Mädchen teilt völlig auf-gelöst und weinend mit, dass schnell jemand kommen müsse.

Die Mama werde von Papa heftig geschlagen. Im Hintergrund sind laute Schreie der Mutter zu hören. Diese hilflose Stimme geht Lisa durch Mark und Bein. Sie versucht das Mädchen zu beruhigen und erklärt ihr, das Hilfe bereits unterwegs sei. Sie solle sich in Ihrem Zimmer einsperren und warten bis die Polizei da ist. Lisa hält das 9jährige Mädchen am Telefon und versucht, das völlig verunsicherte Kind in ein Gespräch zu verwickeln.
Nach schier unendlichen 7 Minuten ist zu hören, wie es klingelt. Der eintreffenden Polizei wird aber nicht geöffnet. Lisa reagiert und muss das Mädchen überreden, das Zimmer zu verlassen, um die Haustür zu öffnen. Das gelingt und nachdem Lisa einen Kollegen am Telefon hat, wird das Gespräch beendet.

Dieser Notruf hat Lisa noch lange sehr beschäftigt, da sie sich in der Zeit bis die Kol-legen vor Ort waren, so machtlos gefühlt hat und sie dem kleinen Mädchen nicht selber helfen konnte. Die Nachbereitung des Einsatzes und die Gespräche mit ihren Kolleginnen und Kollegen haben ihr aber geholfen.

Oftmals reicht es, auf diese Art und Weise solche Erlebnisse zu verarbeiten. Darüber hinaus bieten wir als Polizeidirektion aber auch professionelle Hilfe über unsere regionale Beratungsstelle an.

Montag Frühdienst, 07:50 Uhr – Ein Schüler in echter Not

Felix nimmt einen Notruf entgegen und eine sehr kindliche Stimme meldet sich offen-sichtlich nervös und etwas außer Atem mit den Worten: „Ich habe da mal eine ganz dringende Frage. Stimmt es eigentlich wirklich, dass hier im Ammerland eine Schulpflicht besteht?“ Felix antwortet mit einem Lächeln im Gesicht: „Ja, nicht nur im Ammerland, sondern überall in Deutschland!“. Enttäuscht wird das Gespräch beendet. Ich gebe gerne zu, dass der Landkreis Ammerland von mir an dieser Stelle dazu gedichtet wurde.

Montag, 10:00 Uhr - Heute ist doch Sonntag

Lisa meldet sich mit „Polizeinotruf“. Eine männliche Stimme ist emotional sehr aufgebracht und erbost. So ginge es nicht weiter. Vor seinem Haus werde offensichtlich eine Baustelle sehr lautstark betrieben. Mit Presslufthämmer sei man dort im Gang, auf einem Sonntag, das sei doch nicht zu fassen. Lisa versucht, den sich in Rage sprechenden Mann zu unterbrechen. „Was denn!“ schließt er barsch und Lisa erklärt ihm, dass heute doch Montag wäre. „Montag?!“, Ja, Montag!“. Mit einer leisen Entschuldigung wird das Gespräch beendet.

Dienstag/Mittwoch-Nachtdienst, 03:30h - Verbrechen importiert aus den Niederlanden

Ein sehr aufgeregter Bürger meldet sich über Notruf und teilt dem Notrufannehmen-den Felix mit, dass er soeben von einem sehr lauten und erschütternden Knall aufgewacht sei und beobachtet habe, wie ein dunkler PKW vor der dortigen OLB von drei dunkel gekleideten Männern bestiegen worden sei und nunmehr mit quietschenden Reifen und hoher Geschwindigkeit stadtauswärts davonrase. Das Gebäude sei teilweise zerstört, es würden offensichtlich noch Geldscheine durch die Luft fliegen.

Dieser und ähnliche Notrufe waren gerade im Jahr 2022 und zumindest bis zum Sommer 2023 sehr häufig eine besondere Herausforderung für die Leitstelle. Mit diesem Notruf wird quasi auf Knopfdruck die sich anschließende Arbeit auf diesen Vorfall kanalisiert und konzentriert. Der Notruf wird gehalten, um weitere Informationen zu Fahrzeug, Besatzung und Tat zu gewinnen, währenddessen gleichzeitig ein komplexes Fahndungssystem in Gang gesetzt wird.

Das erfordert bei den Kolleginnen und Kollegen ein hochkonzentriertes Hand-in-Hand, ggf. über Stunden und gleichzeitig muss der polizeiliche Alltag, der ja nicht pausiert, weiter funktionieren. Unabhängig vom Ergebnis sind die Polizeibeamtinnen und -beamten am Ende dieser Nachschicht wirklich geschafft und meistens noch so auf-gekratzt, dass das Geschehene zunächst noch kurz aufgearbeitet werden muss und auch wird.

Sie kennen dieses besondere Kriminalitätsphänomen. Seit Jahren beschäftigen diese GAA-Sprengungen nahezu bundesweit die gesamte Polizei. Neben NRW war immer auch Niedersachsen und hier insbesondere der Nordwesten von diesen Taten stark betroffen. Allein für das Ammerland verzeichnen wir drei Fälle, 1 in 2019 und 2 in 2022 in Apen und Edewecht.

Es handelt sich zumeist um eine niederländisch-nordafrikanische Tätergruppierung, die organisiert und arbeitsanteilig mit hochmotorisierten, entwendeten oder angemieteten Pkw einreisen, zuvor bereits ausgekundschaftete Bankautomaten innerhalb weniger Minuten mit hochexplosiven Sprengstoff rücksichtlos sprengen, das lose Geld schnellstmöglich einsammeln und mit Höchstgeschwindigkeit genauso rücksichtlos die Flucht wieder in Richtung Niederlande antreten.

In dem Fluchtfahrzeug befindet sich in der Regel immer noch Sprengstoff und hunderte von Litern Kraftstoff, um nicht auf der Flucht Tanken zu müssen. Das riskante Fluchtverhalten und die gefährlichen Begleitumstände muss die Polizei bei ihren Maßnahmen berücksichtigen, um nicht andere und sich selber bei dem Versuch der Festnahme zu gefährden. Ein schwieriges aber wie ich nunmehr aufzeigen will, kein grundsätzlich unmögliches Unterfangen.

Am 30/31.03.2023 hat die Polizei für den Bereich der B213 eine großangelegte Kontrolle durchgeführt, um möglichst schon in einer Vortatphase relevante Erkenntnisse zu sammeln und gleichzeitig zumindest für diese Nacht potentielle Täter abzuschrecken. Ich war auch bei dieser Kontrolle zugegen, habe O-Töne für mediale Begleitung dieser Kontrolle abgegeben und mich auch mit den eingesetzten Kolleginnen und Kol-legen ausgetauscht.

Die Kontrolle hat leider keine neuen Erkenntnisse erbracht und die eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten haben gegen 02:00 Uhr Feierabend gemacht. Auf dem Nachhauseweg beobachtete einer der zuvor kontrollierenden Polizeibeamter kurz vor Eintreffen seiner Heimatanschrift einen auffälligen Pkw vor einem Combi-Markt in Oldenburg, in dessen Eingangsbereich ein Geldausgabeautomat steht. Im selben Moment (03:30h) erfolgte eine ohrenbetäubende Detonation. Der Polizeibeamte wendete sein Fahrzeug und fuhr zurück zum Tatort, währenddessen der besagte Pkw mit vermutlich drei Insassen den Parkplatz des Combi-Marktes mit hoher Geschwindigkeit Richtung Autobahnauffahrt davonraste. Der Polizeibeamte versuchte, die Verfolgung aufzunehmen und hatte zwischenzeitlich schon den Notruf getätigt. Die Leitstelle hat daraufhin umfängliche Fahndungsmaßnahmen eingeleitet.

Um es abzukürzen, das Tatfahrzeug verunfallte während der Verfolgung auf der B 213 in einem Kreisverkehr, die Insassen flüchteten fußläufig und können schließlich im Rahmen der Fahndung um 08:40 Uhr, nachdem offensichtlich Abholfahrzeuge die Flüchtenden aufgenommen hatten, festgenommen werden. Die Bilanz: 8 Festnahmen; Die 3 Haupttäter wurden zu 3 bis 4 Jahren Haftstrafe und ein Mittäter zu 1 ½ Jahren Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Was für Geschichten schreibt das Leben.

Ein Polizeibeamter, der nach einem 12stunden-Dienst bei einer Kontrolle zur Bekämpfung des Phänomens GAA-Sprengung auf dem Nachhauseweg auf eine solche frische Tat trifft und letztendlich für diesen Fahndungserfolg sorgt. Auf meine Frage diesbezüglich antwortet er: „Ich hatte nur einen Gedanken, die dürfen uns jetzt nicht entkommen!“ Eine tolle Arbeit aller Beteiligten.

Das Jahr 2023 war für Niedersachsen insbesondere auch im Bundesvergleich in diesem Phänomenbereich ein sehr erfolgreiches. Wir haben in Niedersachsen einen Rückgang von 42 % (39 zu 68) und insgesamt 25 Tatverdächtige festgenommen. Insbesondere aufgrund der ersten Jahreshälfte nimmt die PD Oldenburg aber trotz des Rückgangs (14 Taten in 2022) mit 10 Taten in 2023 den Spitzenplatz ein, wobei allein für den Verantwortungsbereich der PD Oldenburg 10 Festnahmen zu verzeichnen sind. Insbesondere die professionelle Fahndungsarbeit der Leitstellen, auch der Einsatz der Stopsticks (Nagelgurte) und vor allem die Ermittlungsarbeit unserer zentralisiert eingerichteten Sondereinheit in der ZKI waren hier die Erfolgsgaranten.

Auf dem Gebiet der vorbeugenden Prävention hat sich ebenso viel getan. Der Dialog, nicht nur auf politischer Ebene durch unsere Innenministerin Frau Behrens, sondern auch der Polizei vor Ort mit den Banken zeigt deutliche Fortschritte. Die Banken haben durch technische und organisatorische Maßnahmen die Tatgelegenheiten deutlich erschwert und damit auch reduziert.

Insgesamt scheint unser Handeln mit den unmittelbaren Fahndungsmaßnahmen, der erfolgreichen Ermittlungsarbeit und der Prävention zu dieser insbesondere im Bundesvergleich positiven Entwicklung beigetragen zu haben.

Dennoch bleibt dieses Phänomen immer noch im polizeilichen Fokus und trotz leichter Entspannung kann hier noch keine Entwarnung gegeben werden. Die weitere Entwicklung bleibt zu beobachten.

In der Leitstelle sind Lisa und Felix im Nachdienst immer bereit, falls es wieder über Notruf heißt: „Hier hat es bei der Bank xy fürchterlich laut geknallt!“

Damit gehen wir zurück in die Leitstelle.

Freitag Spätdienst, 13:00h - Ein schnell aufgeklärter Fahrraddiebstahl

Felix nimmt einen Notruf entgegen. Eine männliche Stimme erklärt, dass ihm soeben sein Fahrrad gestohlen worden ist. Die Frage, wann der Anrufer dies denn bemerkt hätte, kommt die Antwort: vor ca. 5 Minuten. Er habe sogar noch den Täter flüchten sehen. Daraufhin fragt Felix den Anrufer nach der Täterbeschreibung und der Fluchtrichtung, währenddessen Lisa, seine Tischnachbarin, auf ihrem Bildschirm bereits mitliest und eine Funkstreifenbesatzung entsendet. Nach einer wirklich guten und umfänglichen Täterbeschreibung, bedankt sich Felix beim Anrufer für seine sehr gute Beobachtungsgabe und erklärt ihm, dass Kollegen bereits nach dem Dieb suchen. Nach einer kurzen Pause entgegnet der Anrufer, dass er noch etwas sagen wolle. Er kenne übrigens den Täter und könne, wenn es die Polizei wünsche, sowohl Namen und Wohnanschrift des Täters nennen.

Freitag, 13:30 Uhr - Handy-Test

Lisa nimmt einen Notruf entgegen und eine männliche Stimme stellt fest, dass es wahrscheinlich kein echter Notfall sei, aber er habe eben sein Handy in die gefüllte Badewanne fallen lassen und wolle nun kurz ausprobieren, ob es noch funktioniere. Lisa bestätigt: „Ja, es funktioniert noch und Ja, es ist kein Notfall!“

Freitag, 15:00 Uhr - Demokratiefestigkeit ist kein Selbstläufer

Ein Bürger teilt über 110 der notrufannehmenden Lisa mit, dass er gerade von der Polizei scheinbar grundlos kontrolliert worden sei. Dies offensichtlich nur, weil er eine dunkle Hautfarbe habe. Er sei erbost, zumal er gerade festgestellt habe, dass in der Fußgängerzone offensichtlich eine rechte Kundgebung ohne erkennbare polizeiliche Begleitung stattfinden soll.

Mit solchen versteckten oder auch offenen Vorwürfen zum sog. racial profiling müssen sich die Kolleginnen und Kollegen unter 110 auch ohne vorhandene Notlage durchaus auseinandersetzen, alles mit der nötigen Ruhe und Ernsthaftigkeit. Natürlich geht Lisa diesem Hinweis nach und teilt dem Anrufer eine Ansprechstelle für sein persönliches Anliegen mit. Währenddessen kümmert sich Felix als zuständiger Einsatzdisponent um die Versammlungslage und nimmt dazu mit der örtlich zuständigen Dienststelle Kontakt auf.

Mit diesem Beispiel möchte ich an dieser Stelle aber eher auf ein weiter gefasstes Kernthema hinaus, welches die Polizei Niedersachsen schon seit Jahren beschäftigt und auch zukünftig beschäftigen wird:

Unsere eigene demokratische Resilienz nach innen und außen.

Die Niedersächsische Polizei nimmt dabei durchaus eine bundesweite Vorbildfunktion war. So haben wir seit einigen Jahren das durch die PA Niedersachsen gestaltete Projekt „Polizeischutz für die Demokratie“, bei dem mittlerweile über 100 Demokratiepatinnen und -paten freiwillig an der Stärkung der Demokratiearbeit der Polizei mitwirken.

Wir als PD Oldenburg treten in unserem Projekt „Haltung zeigen“ in einen offenen und direkten Dialog zwischen Polizeibeamtinnen und -beamten mit Akteuren der Zivilgesellschaft zu den Themen Rollenverständnis, Rassismus und racial profiling.

Dieses Projekt unter der Regie des Gustav-Stresemann-Institut haben wir sogar jüngst auf den Dialog mit der Polizei und Zivilgesellschaft in den USA ausgedehnt.

Dieses besondere Dialogformat hat es durchaus in sich und ist insbesondere für die freiwillig teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen kein Sparziergang.

Die Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft stehen der Polizei nicht selten sehr kritisch gegenüber. Wenn ich Ihnen an dieser Stelle beispielhaft aufzeige, dass eine Teilnehmerin bei der Vorstellungsrunde erklärt: „Ich bin eigentlich nur hier, weil ich aus erster Hand wissen will, warum Polizisten Mörder sind“, dann können sie sich vorstellen, mit welcher Geduld und Empathie die Teilnehmenden der Polizei aufwarten müssen, um die gemeinsamen Tage durchzustehen.

Und dennoch ist das Format ein Gewinn, da am Ende ein viel deutlicheres sowie ausgeprägteres Verständnis und Klarheit über die Rolle der Polizei auf der einen und die der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite besteht als noch zu Beginn.

Viel besser als mit dem folgenden Beispiel kann ich diesen Mehrwert Ihnen nicht deutlich machen. Ich zitiere einen anfänglich der Polizei gegenüber sehr kritischen amerikanischen Teilnehmenden der Zivilgesellschaft gegenüber einem Kollegen aus unserer Polizeidirektion: „Andreas, wenn ich wüsste, dass Du mein Chef wärst, dann würde ich gerne zur Polizei gehen!!“ Mehr Anerkennung und Verständnis geht nicht.
Ein bemerkenswertes Projekt, welches große Potentiale auch für die positive Netzwerkarbeit im regionalen Alltag in sich birgt.
Sie löst die polizeiliche Arbeit aus einem möglichen Schwarz/Weiß-Denkmuster her-aus und zeigt uns, dass der Dialog manchmal anstrengend erscheint, aber im Ergebnis nachhaltige Wirkung entfaltet.

Mit diesen kurz angerissenen Schwerpunktsetzungen kann ich nur andeuten, wie wir unsere Demokratiefestigkeit und Dialogbereitschaft festigen und gestalten, um dabei auch den oftmals pauschalen Vorwürfen, die Polizei sei ihrem strukturellen Rassismus ausgeliefert, zu begegnen.
Und dennoch steht - parallel zu unseren eigenen Bemühungen - unsere Demokratie wie nie zuvor vor ganz besonderen, ja nahezu vor existenzgefährdenden Herausforderungen.

Nach einer NDR Umfrage vom 07.11.23 sind 42% der Befragten mit der Demokratie als Staatsform derzeit unzufrieden.
Wenn wir das zugrunde legen und gleichzeitig feststellen, dass seit einiger Zeit rechtsextreme Strömungen versuchen, sich immer mehr in die Mitte unserer Gesellschaft festsetzzusetzen; dabei bewusst Ängste schüren und versuchen, die Menschen mit Narrativen und demokratieschädlichen Denk- und Argumentationsmuster zu lenken, dann müssen wir uns - auch vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg - ernsthafte Sorgen machen. Und dass ist auch ein Thema der inneren Sicherheit; nicht nur im betreffenden Bundesland selbst, sondern insbesondere auch in der föderalen Zusammenarbeit aller Sicherheitsorgane und damit auch der Polizei.

Unsere niedersächsische Innenministerin hat bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes (01.06.23 im NDR) den Rechtsextremismus als die größte Gefahr für unsere Demokratie bezeichnet. Ferner hat sie auch mehrfach betont (letztmalig in einer Pressemitteilung des MI vom 03.11.2023), dass niedersächsische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eine besonders gewichtige Rolle als Hüter unserer Demokratie einnehmen.

Zitat: Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Das ist kein politisches Statement, das ist eine gesetzliche Verpflichtung im § 33 (1) Beamtenstatusgesetz.

Im Absatz 2 des gleichen Paragraphen folgt: Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

Ich will mit ihnen keine Staatsbürgerkunde betreiben, aber gerade der Hinweis auf die polizeiliche Pflicht, für die Erhaltung unserer Demokratie einzutreten, ist entscheidend. Bei der ganzen öffentlichen Diskussion um das uns allen bekannten Zeitungsinterviews unseres PP Johann Kühme und einem möglichen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot kommt das viel zu kurz.

Es geht vordergründig um die Inhalte und nicht um die Neutralität.

Dazu folgende bemerkenswerte Anmerkungen: Nicht irgendjemand, sondern der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Dr. Dr Andreas Voßkuh-le betonte anlässlich des zweiten bundesweiten, medial begleiteten Demokratiekongresses am 24/25.10.23 in Hannover in seinem Vortrag, dass die Polizei nicht nur die demokratische Verfassungsordnung verteidigt, wenn sie gefährdet ist, sondern mit ihrem gesamten Auftreten auch die demokratischen Werte unseres Gemeinwesens vermitteln muss.

Wie so etwas in konkretes Handeln münden kann, erklärte Herr Voßkuhle am Beispiel unseres Polizeipräsidenten Johann Kühme, der mit seinem Zeitungsinterview deutlich macht, dass die AfD Wahrheiten verdrehen und Lügen verbreiten würde. Damit werde die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger manipuliert und die Polizei für deren Absichten missbraucht. Die öffentliche Unterstützung aller Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten und des Direktors der PA Niedersachsen begleitete Herr Voßkuhle mit den Worten: „Diese Statements sind mehr als nur eine Solidarisierung mit einem Kollegen, der in der Öffentlichkeit angegriffen wird. Es sind kraftvolle und eindrückliche Beschreibungen der Aufgaben der Institution Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat. Das schafft Vertrauen. Davon gerne mehr!“

Nicht nur als Zeuge dieses eindrucksvollen Vortrages, auch in meiner Funktion als sein Vertreter, kann ich hier und jetzt und mit voller Überzeugung seine klare Haltung zu den Gefahren für unsere Demokratie absolut teilen. Mit Johann Kühme hat diese Haltung der Polizei ein Gesicht bekommen. Sie ist aber zugleich eine bleibende Grundhaltung der gesamten Niedersächsischen Polizei und wird auch über seine an-stehende Pensionierung hinaus Wirkung entfalten. Wir und auch ich als ein Vertreter der Niedersächsischen Polizei werden weiterhin für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung aktiv eintreten, ganz wie unser Grundgesetz und der darauf fußende § 33 Beamtenstatusgesetz es von uns geradezu einfordern.

Dennoch bleibt die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie keine Selbstverständlichkeit. Sie zu erhalten und zu stärken ist und bleibt Aufgabe von uns allen. Die Polizei wissen Sie dabei an Ihrer Seite. Darauf können und dürfen Sie Vertrauen.

Auch wenn der Übergang etwas hart erscheint, kehren wir nun zurück in die Leitstelle zu Lisa und Felix und zum nächsten anstehenden Notruf.

Freitag, 19:00 Uhr - Eine verdächtige Verfolgung

Lisa meldet sich am Notruf und eine ältere, verängstigte weibliche Stimme bittet um Hilfe. Sie laufe jetzt schon seit über einer dreiviertel Stunde durch die Straßen und werde dabei von einer Katze verfolgt. Sie habe Angst vor Katzen und traue sich nun nicht mehr nach Hause. Auf die Frage von Lisa hin, warum sie denn nicht nach Hause könne, antwortet sie: „Ja, das geht doch nicht, dann weiß ja die Katze, wo ich wohne!“

Samstag Nachtdienst 19:30 Uhr - Sicher ist sicher

Felix meldet sich mit: „Polizeinotruf, wo ist ihr Notfallort!“ Eine weibliche Stimme fragt: „Wer ist da?“. Felix antwortet: „Hier ist der Polizeinotruf.“ Eine weitere Frage folgt: „Ach so, und welche Nummer haben sie?“. Felix bestätigt, was eigentlich alle wissen: „110, die Nummer, die sie gerade gewählt haben.“ Die Frau ist erleichtert und stellt ihre letzte Frage: „Also diese Nummer soll ich wählen, wenn ich mal einen Notfall habe?“. Felix antwortet: „Genau richtig, so soll es sein.“. Die Frau bedankt sich freundlich und wünscht noch einen schönen Tag.

Samstag/Sonntag, 23:30 bis 00:30 Uhr - Helfer werden zu Opfern

Lisa disponiert heute das Einsatzgeschehen für die PI Oldenburg-Stadt/Ammerland und bekommt einen Einsatz von den Kolleginnen bzw. Kollegen von nebenan aus der Großleitstelle Oldenburger-Land auf ihren Bildschirm. Demnach randaliert ein Mann in der Notaufnahme der Ammerlandklinik. Dieser schlägt einem diensthabenden Arzt und einen Sanitäter während der Patientenaufnahme mit dem Ellenbogen ins Gesicht. Lisa entsendet sofort einen FuStw zum Tatort.

Sekunden später wird Lisa über Funk mitgeteilt, dass ein anderer von ihr vor ein paar Minuten disponierte Verkehrsunfall eskaliert ist. Nach einer Unfallaufnahme in Wiefelstede wird der unfallbeteiligte Radfahrer von einer der RTW-Besatzung versorgt. Im Rahmen des Gespräches zwischen dem Sanitäter und dem Radfahrer, rastet dieser plötzlich vollkommen aus und schlägt dem Sanitäter unvermittelt eine gefüllte PET Wasserflasche auf den Kopf. Der Radfahrer ist kaum zu bändigen. Lisa entsendet eine weitere Besatzung zu Verstärkung.

Nur eine halbe Stunde später wird ein weiterer Notruf angenommen, bei dem mit auf-geregter Stimme bruchstückhaft mitgeteilt wird, dass sich ein junges Mädchen die Arme aufgeschlitzt habe und nun stark bluten würde. Einsatzort ist eine Großraumdiskothek in Cuxhaven. Felix übernimmt den Einsatz, er ist heute für Cuxhaven zuständig, entsendet eine Funkstreifenbesatzung und alarmiert einen RTW über die Leitstelle in Cuxhaven.

Wie ging es vor Ort weiter: Der Polizei- und Rettungswageneinsatz wird durch eine Menge von zumeist alkoholisierten Schaulustigen begleitet. Die junge Frau lehnt medizinische Hilfe ab und aus der Menge der Schaulustigen treten zwei männliche Personen hervor und behindern die Erstversorgung. Die Stimmung in der Szenerie heizt sich weiter auf und Felix entsendet zwei weitere FuStW zur Unterstützung. Beim Eintreffen der ersten Verstärkungskräfte überschlagen sich die Ereignisse. Einer der Männer tritt einer jungen Polizeibeamtin, sodass diese gegen einen PKW prallt und sich dabei an der Schulter verletzt. Der zweite Mann versucht sich gewaltsam Zutritt zum RTW zu verschaffen und verletzt dabei durch Tritte einen Polizeibeamten schwer am Knie. Angefeuert durch die Schaulustigen fühlen sich die beide männlichen Personen angestachelt und setze ihre Angriffe gegen die Einsatzkräfte fort.

Mit Eintreffen weiterer Kräfte kann die Situation letztendlich beruhigt werden. Der Kreis der Schaulustigen wird aufgelöst. Es werden Personalien aufgenommen. Die beiden Beschuldigten werden in Gewahrsam genommen und die junge Frau wird ins Krankenhaus verbracht. Selbst während dieser Maßnahmen leisten die beiden Männer und auch die junge Frau noch immer erheblichen Widerstand.

Auch wenn diese Vorfälle genauso passiert sind, ist diese geballte Form meiner eigenen Dramaturgie geschuldet und Gott sei Dank so nicht unbedingt an der Tagesordnung. Dennoch sind sie Realität und ich habe diese Schilderung so gewählt, um auf eine derzeit erkennbare und zugleich besorgniserregende Entwicklung hinzuweisen.

Nicht zuletzt durch die medial begleitete BKA-Herbsttagung 2023 wurde auf eine Zunahme der Gewaltkriminalität hingewiesen. Auch wenn ich an dieser Stelle noch keine abschließende Bewertung unter Einbezug des Jahres 2023 vornehmen kann, so kann ich doch zumindest den grundsätzlichen Trend bestätigen. Auch für die Polizeidirektion Oldenburg lässt sich festhalten, dass die Gewaltkriminalität im Vergleich zum Jahr 2022 um ca. 10% gestiegen ist und den höchsten Stand im 10 Jahresvergleich erreichen wird.

Noch deutlicher wird diese Betrachtung in Bezug auf die Entwicklung der Gewalt gegen Einsatzkräfte (Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei). In der 10-Jahresentwicklung haben wir einen deutlich steigenden Trend. Auch hier haben wir in 2023 einen Höchststand erreicht und im Vergleich zum Jahr 2013 eine Steigerung um ca. 35%.

Der Anteil der betroffenen Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr liegt hier durchweg bei nur 1%. Es darf aber hier durchaus von einer höheren Dunkelziffer aus-gegangen werden. Auch der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Herr Banse, bestätigt diese Annahme im Rahmen einer zum Ende des letzten Jahres veröffentlichen Umfrage innerhalb der Feuerwehr.

Bei den Fällen in Bezug auf die betroffenen Sanitäterinnen und Sanitäter liegen wir schon bei einem Anteil von 6 %.

Bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, wo das Anzeigeverhalten von Amtswegen schon bei nahezu 100% liegt, liegt der Anteil bei 93%. Bezogen auf die Anzahl aller Kolleginnen und Kollegen in unserer Polizeidirektion ist statistisch gesehen damit jede zweite Polizeibeamtin bzw. jeder zweite Polizeibeamte gewaltbetroffen.

Diese Gesamtentwicklung ist aus meiner Sicht schon sehr bedenklich und besorgniserregend.

Es ist an dieser Stelle nicht meine Expertise, gesicherte und fundierte sozialwissenschaftliche Ursachen zu vertiefen aber es ist schon anzunehmen, dass der aktuelle Anstieg nicht mehr allein mit Nachholeffekten nach der Corona-Pandemie zu erklären ist. Diesbezügliche Forschungserkenntnisse sind in den folgenden Jahren zu erwarten.

Aber: Bei dieser klaren und objektiv belegbaren Entwicklung ist es allerdings absolut unverständlich und auch nicht kommentarlos hinzunehmen, wenn sich ein Kriminologe von der Goethe-Universität Frankfurt zwei Tage vor Silvester 2023 in über 100 Printmedien in Deutschland äußert und erklärt, dass er eine Zunahme von Gewalt gegen Einsatzkräfte bezweifle. Der überwiegende Anteil sei ja nur „ein Schupsen“, welches schließlich auch unter dem Blickwinkel „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ subsumiert werden könne. Er vermute eher eine Verlagerung des Dunkelfeldes in das Hellfeld. Die Wissenschaft sei sich einig, dass die Gewalt in der Gesellschaft insgesamt abnehme. Er setze hinter dem derzeit dargestellten Bild ein großes Fragezeichen.

Ich bin entsetzt!

Diese Aussage trifft jede Feuerwehrfrau, jeden Feuerwehrmann, jede Rettungssanitäterin, jeden Rettungssanitäter und jede Polizeibeamtin und jeden Polizeibeamten ganz persönlich und unmittelbar.

Führen Sie sich dazu einfach nochmal die von mir geschilderten und realen Geschehnisse vor Augen und wie sich die hier eingesetzten Menschen mit solch einer Aussage eines Wissenschaftlers nach solchen Erlebnissen fühlen müssen.

Ich finde das unerträglich!

Wir müssen uns stark machen für die vielen Helferinnen und Helfer, die rund um die Uhr ihren Dienst für die Bürgerinnen und Bürger tun und dabei nicht selten in für sie gefährliche Situationen geraten.

Das mag man durchaus als ein gewisses Berufsrisiko deklarieren. Aber bei Gewalt ist jede rote Linie überschritten und muss einer deutlich spürbaren Strafverfolgung zugeführt werden.

In diesem Zusammenhang kann ich am Beispiel der StA Oldenburg genau dieses Vorgehen nachhaltig positiv erkennen. Das ist gut und richtig so, gilt aber auch für die Gerichtsbarkeit.

Trotz der hier aufgezeigten Entwicklung sind bei der Feuerwehr, im Rettungswesen und auch bei uns bei der Polizei weiterhin hochengagierte Menschen am Werk, die ihren Dienst immer noch gerne und voller Überzeugung versehen.

Dafür können wir alle sehr dankbar sein, meine Damen und Herren.

Aber nun zurück in die Leitstelle zu Lisa und Felix. Ein letzter Notruf aus dieser Woche.

Sonntag, 01:00h – Eine Ruhestörung muss nicht zwingend stören

Felix nimmt einen Notruf mit den Worten an: „Polizeinotruf! Wo ist ihr Notfallort?“ Eine männliche Stimme nennt seinen Namen, seine Wohnanschrift und erklärt, dass sein Nachbar schon seit Stunden mit extremer Lautstärke Musik höre. Auf Klopfen reagiere sein Nachbar nicht. Felix nimmt die Daten auf und erklärt dem Anrufer die weitere Vorgehensweise. Abschließend gibt der Anrufer aber noch einen Hinweis: „Ach eins noch, wenn gleich Polizisten kommen, dann sollen sie bitte nicht bei mir Klingeln. Ich stelle gleich mein Hörgerät auf Null und höre dann gar nichts mehr!“


Abschluss

Meine Damen und Herren, diese für Sie dargestellte Woche in der KGO ist in der zeitlichen Abfolge zwar fingiert und von mir emotional angereichert, aber nicht unrealistisch und mit tatsächlichen Gegebenheiten gefüllt.

Ich hoffe, ich haben Ihnen verdeutlichen können, dass in 110 mehr drinsteckt als nur ein Notruf. Unsere gemeinsame Woche in der KGO zeigt, dass die Polizei in allen möglichen Problem- und Lebenslagen angerufen wird.

Die dort arbeitenden Kolleginnen und Kollegen fungieren dabei als allwissende Auskunft, sind Seelsorger, Lebensretter, geduldige und Verständnis zeigende Zuhörer, aber auch teamorientierte Profis bei der Einsatzbewältigung und Fahndung nach hochkriminellen Verbrechern sowie wichtige Stütze und Servicepartner für die vielen Polizeibeamtinnen und Beamten im Einsatz- und Streifendienst. Sie sind für alle Bürgerinnen und Bürger von Cuxhaven bis nach Damme, von Wilhelmsaven bis Verden und eben auch für das Ammerland rund um die Uhr da.

Ich hoffe, Sie kommen nicht zwingend in die Gelegenheit 110 wählen zu müssen. Nur wenn Sie es für erforderlich halten, dann haben sie keine Scheu 110 zu wählen und ihr Anliegen vorzutragen. Sie wissen jetzt, dass am Ende der Leitung Menschen wie Lisa und Felix sitzen, die Ihr Anliegen ernst nehmen und ihnen weiterhelfen werden.

Nicht zuletzt, das möchte ich an dieser Stelle besonders betonen, ist aufgrund der hervorragenden Kooperation und Zusammenarbeit mit der nebenan befindlichen Großleitstelle der Kommunen diese KGO in dieser Zusammenstellung und Größe immer noch einmalig in Deutschland.
Und dabei spielt insbesondere auch der Landkreis Ammerland innerhalb der Kooperation eine gewichtige Rolle. Für diese tolle Zusammenarbeit danke ich Ihnen Frau Harms, Herr Jürgens und auch Herr Rabe stellvertretend für den Kommunalverbund außerordentlich und ausdrücklich.
Ich möchte diesen Vortrag noch mit einer ganz persönlichen Note beenden. Für mich schließt sich nunmehr so ein wenig der Kreis. Als ich vor 17 Jahren mit meinem 6-jährigen Sohn auf dem Schoß auf einem für 20€ erworbenen Architektursoftwareprogramm als einer der Projektverantwortlichen unsere heutige Leistelle nachgebaut habe, um sie bildlich anfassbarer und erlebbarer zu machen, fragte mich mein Sohn: „Was ist das?“ „Eine Leitstelle!“ „Was ist eine Leitstelle?“ Sie kennen diese unendlichen Fragen aus einem neugierigen Kindermund.

Heute ist mein Sohn 23 Jahre alt, ist Polizeibeamter und arbeitet jetzt in genau dieser Leitstelle. Erst kürzlich als wir über seine Arbeit gesprochen haben - das bleibt ja nicht aus - erklärte er mir mit überzeugter Miene:

„Papa, du hast zwar damals die Leitstelle mit aufgebaut. Ich darf aber heute in ihr arbeiten!“ ohne Worte – aber Recht hat er.

Meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit und nochmals ausdrücklich für ihre Einladung. Ich wünsche Ihnen für das neue Jahr 2024 alles erdenklich Gute und bleiben Sie gesund. Danke!